500 Jahre Bauernkrieg - Was bleibt?
Vortrag und Diskussion in der Kirche Ahlshausen
500 Jahre Bauernkrieg – Was bleibt?
Gemeinsame Veranstaltung der AbL Niedersachsen/ Bremen, der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und des Pfarrverbandes Leine-Berglands am 6. März 2025 in der St. Blasius Kirche in Ahlshausen, Einbeck
Leibeigenschaft, Ausbeutung durch Frondienste und hohe Abgaben an Kirche und Adel - das war die Realität des größten Teils der deutschsprachigen Bevölkerung im frühen 16. Jahrhundert. Zur Zeit der Reformation begann es aber unter der ländlichen Bevölkerung zu rumoren und diese Ordnung wurde in Frage gestellt.1524/25 taten sich tausende Bauern zu Haufen zusammen und griffen zu den Waffen. Im Verlauf der als Bauernkrieg in die Geschichte eingegangenen Ereignisse stellten die Bauern mit den Zwölf Artikeln von Memmingen erstmals Forderungen auf, die als frühe Formulierung von Menschenrechten gelten.
500 Jahre Bauernkrieg – Jubiläum als Anlass
Am 6. März 2025 sind diese Ereignisse nunmehr 500 Jahre her, - Anlass für uns einerseits mithilfe von Prof. Dr. Thomas Kaufmann einen Blick auf die historischen Ereignisse in der Reformationszeit zu werfen und andererseits in einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Landwirtschaftsvertretern die Frage zu stellen: Was bleibt und wirkt nach?
Armut und Rechtlosigkeit von großen Teilen der Bevölkerung
Zu Beginn der Neuzeit lebt die Bevölkerung in Deutschland überwiegend ländlich. 80 Prozent sind Bäuer:innen, etwa 17 Prozent bilden die Stadtbevölkerung und 3 Prozent gehören Adel und Geistlichkeit an. Die Bauernfamilien finanzieren mit ihren Abgaben Adel und Klerus, haben gleichzeitig aber kaum politische Rechte. Adel und Klerus beanspruchen die Wälder, Seen und Flüsse im Land für sich, - das Land, das die Bauernfamilien bewirtschaften, gehört nicht ihnen, sondern den bessergestellten Grundherren. Die gesellschaftliche Ordnung wurde durch Kirchenoberhäupter und Adel definiert, die an ihrer Spitze standen. Aber nicht nur die Bauern begannen gegen ihre schlechte ökonomische Situation und die ungerechte Gesellschaftsordnung aufzubegehren. Auch einfache Geistliche, Städter und Bergleute waren Teil der Aufstände und Teil der Reformbewegung.
Der Einfluss der Reformation und Martin Luthers
Die Zeit des Bauernkriegs war auch die Zeit der Reformation, die viele besonders mit Martin Luther und der berühmten Veröffentlichung seiner 95 Thesen von 1517 verbinden. Im Jahr 1520 veröffentlicht Martin Luther sein Werk „Von der Freiheith des Christenmenschen“ und schreibt darin unter anderem den viel zitierten Satz: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“ – während dies durchaus als Ermutigung der Auflehnung der Bauernschaft gegen die Leibeigenschaft und Unterdrückung aufgefasst werden kann, bezieht sich Martin Luther hier tatsächlich gar nicht auf das Leben vor, sondern nach dem Tod. Freiheit durch die Erlösung von allen Sünden, - nicht Auflehnung gegen die Obrigkeit in diesem Leben. Obwohl die Standpunkte der Reformation eine wesentliche Begründung für die aufständischen waren, distanzierte sich Martin Luther deutlich vom Bauernkrieg.
Ein anderer Reformator, nämlich Ulrich Zwingli kann schon eher herangezogen werden, um eine Auflehnung gegen Adel und Kirche zu begründen. Er nämlich sieht die Obrigkeit wie zu dieser Zeit üblich als durchaus von Gott eingesetzt, aber an die Vorschriften in der Bibel gebunden. Verstoße sie gegen die biblischen Vorgaben, hätten die Menschen das Recht, diese abzusetzen. Besonders in Süddeutschland wurde Zwingli für die Bauern so zu einem Bezugspunkt.
Im Verlauf des Bauernkriegs mahnte Luther in einer öffentlichen Schrift die Aufständischen zur Einhaltung des Friedens und der gesellschaftlichen Ordnung. Luther sollte später im Verlauf des Bauernkriegs in Folge dieser Veröffentlichung sein „dramatischste[r] Imageschaden“ (Prof. Dr. Kaufmann, 06.März 2025 in Ahlshausen) in seiner Rezeptionsgeschichte beigefügt werden: Durch seine Schrift wirkt es nämlich so, als hätte Luther zunächst durch seine reformerischen Schriften die Bauernbewegung befördert und später die besonders brutale Niederschlagung der Bauern durch den Adel befürwortet.
Eine weitere zentrale Figur der Bauernaufstände war auch Thomas Müntzer, ein früherer Anhänger Luthers, der als Dorfpfarrer wirkte aber im Gegensatz zu Luther die gewaltsamen Aufstände der Bauern befürwortete und beförderte und sich im Verlauf des Bauernkriegs bemühte, verschiedene Bauernhaufen in Thüringen zusammenzuführen, um gemeinsam eine stärke Schlagkraft zu entwickeln. Er wurde im Mai 2025 in der Folge hingerichtet.
Der Einfluss der Medien
Einen anderen besonderen Aspekt, der für den Verlauf der als Bauernkrieg in die Historie eingegangen Ereignisse nicht unerheblich ist, mehr noch aber auch für die wechselnde und immer wieder umstrittene Rezeption im Verlauf der Geschichte rückt Prof. Dr. Thomas Kaufmann in seinem Vortrag „Der Bauernkrieg – ein Medienereignis“ in den Vordergrund: die Rolle der Medien. Warum ein 500 Jahre zurückliegender Krieg, dessen mutmaßliche Opferzahlen von circa 100.000 Menschen, die gemessen an den Kriegen der Neuzeit sehr gering scheinen, über eine so lange Zeit immer wieder als Bezugpunkt in der deutschen Geschichte aufgegriffen wird, in zahlreichen Gemälden und Denkmalen rezipiert und auch politisch instrumentalisiert wurde, beschäftigt dabei den Kirchenhistoriker. Der Vortrag des renommierten Kirchenhistorikers wurde von uns aufgenommen und kann hier abgerufen werden.
Verlauf des Bauernkriegs
In mehreren Regionen im süddeutschen Raum, Thüringen und Sachsen hatten sich die Bauern in verschiedenen größeren und kleineren Gruppen zusammengetan, bewaffnet und zogen von Dorf zu Dorf. Dabei plünderten sie auch Kloster und stürmten eine Vielzahl von Burgen. In verschiedenen Schlachten waren die Bauern schließlich dem besser ausgestatteten Adel unterlegen. Aber die Bauern hatten sich erstmals in der deutschen Geschichte organisierten und hatten ihre Forderungen oft unterstützt durch einfache Geistliche und Städter niedergeschrieben, die auch per Flugschrift Verbreitung fanden. Die heute berühmteste Schrift sind die sogenannten 12 Artikel von Memmingen. Zur Zeit der Reformation war zwar die Zahl der Analphabeten hoch, aber die Zahl der volkssprachlichen Flugschriften stieg durch die zunehmenden Möglichkeiten der Vervielfältigung von Schriften. Nur so konnten sich die reformerischen Schriften weit verbreiten und auch für die Verbreitung der in Memmingen verfassten 12 Artikel war
Die 12 Artikel von Memmingen
Was aber forderten die Bauern in den 12 Artikeln von Memmingen, die heute als eine der frühen Einforderungen von Menschenrechten in die Geschichte rezipiert werden? Ein zentraler Punkt der "Zwölf Artikel" ist natürlich die Aufhebung der Leibeigenschaft. Die Bauern wollen aber auch ihren Pfarrer frei wählen dürfen, um sicher zu sein, dass er auch wirklich ihre Interessen vertritt. Sie fordern bessere Lebensbedingungen, das Recht auf Jagd und Fischfang, sie wollten an der Nutzung der Wälder teilhaben und die Frondienste an die Herren sollen reduziert werden. Sie fordern die Abschaffung der Todfallabgabe, die Abschaffung des Kleinzehnten, kirchliche oder gemeinnützige Verwendung der Großzehnten, die Einhaltung bestehender Besitzbedingungen, eine Neufestsetzung der Abgaben an den Grundherren, feste statt willkürlicher Strafen und die Rückgabe der Allmenden. Der zwölfte Artikel erklärt die grundsätzliche Bereitschaft, auf alle Forderungen zu verzichten, „die dem Wort Gottes nicht gemäß“ (12 Artikel von Memmingen) sind.
Autorin: Maren Ihnen (AbL Niedersachsen/Bremen e.V.)